Über die Gewalt an Frauen

 



Es gibt Themen, die schreiben sich leicht von der Hand und solche, die sind so schwer, dass man vor dem Tippen einfach noch mal kräftig durchatmen muss. In den Gedanken für Herz und Seele geht es heute um die Gewalt an Frauen und um Zahlen, die einen wirklich fassungslos machen.


Wenn wir von Frauen hören, die unter Gewalt leiden, denken wir dabei meist an weit entfernte Länder. In Afghanistan oder Saudi-Arabien hat man traditionell ein ganz anderes Frauenbild als bei uns. Hier in Europa und besonders in Deutschland, da ist die Welt allerdings in Ordnung und den Frauen geht es gut. So glauben wir zumindest.


Aber schön wär's.

Alleine im Jahr 2022 gab es in Deutschland über 240.000 Opfer häuslicher Gewalt und die Tendenz ist steigend. 2022 wuchs sie um 8,5 Prozent und (Stand gestern) gab es 2024 bereits 31 Frauen, 1 Mädchen und 1 Kind, die durch Femizid zu Tode kamen.


Da wird es einem dann plötzlich doch anders.

Unglaublich aber wahr: In Deutschland wurde jede vierte Frau im Alter zwischen 16 und 85 Jahren schon einmal von ihrem aktuellen oder ehemaligen Lebensgefährten misshandelt. Und Gewalt kennt viele Facetten. Auch permanente Beleidigungen, verbale Demütigungen und Beschimpfungen können einem Menschen massiv schaden und seiner Würde berauben.


Schöne Gedanken für Herz und Seele, oder?

Setzen wir dem Ganzen noch die Krone auf. Wir alle wissen, was eine Vergewaltigung ist und jede Frau wird sich wahrscheinlich ins Geheim vor einer solchen fürchten. Auch in einer Ehe kann es zu Vergewaltigungen kommen und natürlich muss eine solche dann strafbar sein. Wer hier aber denkt, das sei so schon ewig der Fall, der irrt. Erst am 15. Mai 1997 stimmte der Bundestag dafür, die Vergewaltigung in der Ehe als Straftatbestand anzuerkennen, vorher sprach man bei einer solchen lediglich und fast schon harmlos von einer Nötigung.


Woher aber kommt all diese Gewalt und warum hört man nur so wenig davon?

Eine kurze und klare Antwort darauf gibt es nicht.

Einen Fakt habe ich bereits am Anfang dieses Textes benannt – kulturelle Unterschiede. In vielen Ländern dieser Welt hat man ein historisch anderes Bild von Frauen als bei uns.

Mein Vater war Grieche und für ihn war klar, in der Rangordnung innerhalb unserer Familie stand er ganz oben. Reisten wir im Sommer in die Heimat meines Vaters und hatten meinen Eltern dort Streit, versuchte meine Oma zu beschwichtigen, in dem sie meiner Mutter sagte: „Sei leise, das ist dein Mann“. Sie meinte das sicher nicht böse, aber es spiegelt doch perfekt wider, welche Gedankengänge und Vorstellungen hier zum Tragen kamen und wie die Situation für Frauen in Griechenland damals noch war.

Hinzu kommen bis heute, besonders aus dem arabischen Raum stammende, sehr harte und klare Vorstellungen, von der eigenen Ehre. Eine Frau hat nicht das Recht, ihren Mann zu verlassen oder einen Partner zu lieben, der nicht den Vorstellungen und den vermeidlich richtigen Werten der eigenen Familie entspricht.

Gewalt an Frauen ist aber kein rein ausländisches Phänomen.

Auch in deutschen Haushalten knallt es. Gründe hierfür finden sich in finanziellen Sorgen, einem übermäßigen Konsum von Alkohol und einem oftmals komplizierten Gefüge von Macht, bei denen die Frauen kaum eine Chance haben, sich zu wehren.


Wie auch?

In vielen Familien gilt, was auch für mich immer galt, nämlich: Das, was hinter der Tür unserer Wohnung passiert, das geht draußen niemanden etwas an. Und seien wir ehrlich, es ist auch schwierig, sich in seiner Not und mit seinem Leid, einem fremden Menschen anzuvertrauen.

Oft reagiert die eigene Umwelt erst einmal ungläubig und misstrauisch. „Wie der Klaus schlägt dich, aber das ist doch so ein feiner und netter Kerl“. „Also, es dein Mann darf dich natürlich nicht schlagen, aber zu einem Streit gehören ja immer auch zwei Leute“.

Doofe Sprüche und Kommentare verdrehen die Wirklichkeit und aus Opfern werden Lügner und am Ende sogar Täter. Wie schrieb da jemand bei Facebook, als es um die berüchtigte Silvesternacht von Köln ging, "wenn man gesehen hat, wie manche Damen in der besagten Nacht gekleidet waren, dann darf man sich eigentlich wundern, dass da einigen Männern die Sicherung durchgebrannt sind."


Wie bitte? Geht es noch?


Der heutige Artikel lädt dazu ein, nachdenklich zu werden und im eigenen Tun einfach mal innezuhalten. Gewalt gegen Frauen gibt es überall auf der Welt, auch bei uns, vielleicht sogar beim Nachbarn direkt nebenan. Wenn wir das Gefühl haben, dass bei unseren Mitmenschen etwas nicht stimmt, sollten wir sie darauf behutsam und vorsichtig ansprechen, denn wer wegschaut, der macht sich selbst zum Täter und ja, um es ganz deutlich zu sagen, es gibt auch Männer, die von ihren Frauen misshandelt werden. Das soll an dieser Stelle nicht vergessen sein.

Ja und da dieser Artikel hier im Internet erscheint, lohnt sich auch der Blick auf das Web überhaupt. Hier bahnt sich, wie mir scheint, ein ganz neues Bild der Frau seinen Weg, bei dem sie, mehr oder weniger, zu einer Art Nummer vorkommt. Freche Fotos des besten Stücks werden ungewollt und ungebeten verschickt. In Chats werden aufdringliche und aus dem Nichts heraus, sexistische Fragen gestellt. Der Monitor, hinter dem Mann sitzt, gaukelt ihm eine Rechtsfreiheit vor, die in Wahrheit nicht existiert.

Insofern gilt auch hier: Der Preis der Freiheit ist die ewige Wachsamkeit. Bleiben wir wachsam unserem Umfeld, aber auch unserem eigenen Tun selbst gegenüber, denn Frauen sind Menschen und auch für sie gilt, dass die Würde des Menschen unantastbar ist, egal, wie sich kleiden oder geben.

Kommentare

  1. Guten Morgen lieber Giannis!

    Die EU und ihre Mitgliedstaaten arbeiten daran, um Gewalt gegen Frauen und Mädchen zu verhindern und zu bekämpfen, die Opfer zu schützen und die Täter zu bestrafen.
    Und doch sind die Maßnahmen noch nicht ausreichend! Bisher fehlt nämlich in Deutschland die flächendeckende Arbeit mit Hochrisikofällen bei Gewalt an Frauen und Kindern. Das Ganze ist immer noch ein Flickenteppich.
    Danke für deinen so wichtigen Beitrag!


    Liebe Grüße und ein schönes Wochenende

    Anne

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    1. Hallo liebe Anne, wie schön, dich zu lesen. Habe noch gestern Morgen an dich gedacht. Und ja, mir war der Beitrag wirklich wichtig! Danke für deinen Kommentar.

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  2. Lieber Giannis,

    wirklich wichtiges Thema. In vielen Dingen gebe ich dir recht, dennoch hab ich noch eine etwas andere Ansicht. Und ja, ich weiss das ich mich, mit meinem Gedanken dazu, oft in die Nesseln setze und Unverständnis ernte.

    Es ist aber mit Sicherheit ein sehr komplexes Thema, mit dem Spruch "Du kannst ja gehen", ist die Problematik nicht annähernd beschrieben. Und ja, auch psychische Gewalt ist schlimm.Sehr schlimm sogar, denn auch mit dieser Art von Gewalt kannst du einen Menschen brechen.

    Danke für diesen Beitrag weil er wirklich sehr wichtig ist.

    Liebe Grüsse
    Alexandra

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    1. Hallo liebe Alexandra, auch dir einen lieben Dank für deinen Kommentar und die lieben Worte! Ich freue mich sehr darüber! Liebe Grüße!

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  3. Moin Giannis, das Thema ist schwierig. Wo setzt man Grenzen? Psychische Gewalt ist oft schlimmer, da man die Narben nicht sieht und man kaum Hilfe bekommt, wenn man sie selber nicht sucht. Aber wie aus dem Teufelskreis rauskommen? Aktuell habe ich eine Bekannte, die jetzt erst, 14 Jahre nach Beendigung der Beziehung, bemerkt hat, was er ihr da überhaupt angetan hat. Sie ist GSD seit Jahren - wg. anderer Probleme - in Therapie und kann das jetzt gut aufarbeiten. Aber sie ist nur ein mµ unter den tausenden von Frauen, die das täglich mitmachen bzw. mitmachen zu müssen. Es ist als Unbeteiligter einfach zu sagen "dann geh doch" - aber so einfach ist das nicht. Das Thema ist für mich heikel, weil ich beide Seiten kenne - die die bleiben und die gegangen sind.

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    1. Liebe Birgit, wie schön auch dich mal wieder zu lesen. Ich freue mich. Wirklich. Ich kann deine Zeilen und Worte nur unterschreiben und ihnen zustimmen. Mir ging es mit meinem Text einfach darum, auf diese Problematik überhaupt einmal aufmerksam zu machen, denn es gibt sie und sie kommt leider häufiger vor, als man denkt. In diesem Sinne, vielen Dank für deinen Kommentar und nochmals liebe Grüße.

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