Als die Welt stillstand
Wenn wir von unseren Erinnerungen sprechen, erzählen wir meist von den schönen Dingen in unserem Leben und das zaubert uns ein Lächeln ins Gesicht. Die heutigen Erinnerungen allerdings sind nicht schön. Ganz im Gegenteil. Sie sind furchtbar, verstörend und auch enorm belastend. Von ihnen berichten muss man allerdings trotzdem, denn sie dürfen nie in Vergessenheit geraten.
Heute auf meinem Blog: Der Tag, an dem die Welt stillstand – meine ganz persönlichen Erinnerungen an den 11. September 2001. Keine leichte und einfache Lektüre.
Von daher an dieser Stelle ausdrücklich eine Triggerwarnung.
2001 arbeite ich in Bremen bei der Firma „Tchibo“. Da ich zu dieser Zeit noch keinen Führerschein besitze, fahre ich jeden Tag von Bremerhaven aus mit dem Zug dorthin. So auch an diesem Dienstag und alles ist zunächst wie immer. Ich habe viel zu tun, albere mit meinen Kollegen im Pausenraum herum und die Stimmung ist wirklich gut. Doch am frühen Nachmittag ändert sich das plötzlich. In unserem hauseigenen Call-Center gehen kaum noch Anrufe ein und von jetzt auf gleich wird es deutlich ruhiger. Dann kommt eine seltsame Mail, in der es heißt, dass nicht benötigte Mitarbeiter nach Hause gehen sollen und das betrifft auch mich. Also stehe ich um kurz nach 16 Uhr an der Haltestelle der Straßenbahn in der Lloydstraße.
Die kleine Tram ist gut gefüllt und so stelle ich mich hinter zwei Herren, die auf mich wie Banker wirken. Sie tragen Anzüge und unterhalten sich: „Das musst du erstmal schaffen, einen Wolkenkratzer so zu treffen, mit dem Flugzeug direkt hinein!“, sagt der eine und der andere nickt. „Das ist was für Profis“ murmelt er und ich kann innerlich nur meinen Kopf schütteln. Was für Idioten denke ich, denn erwachsene Männer, die sich für derartige Computerspiele begeistern, sind mir einfach suspekt. Ich habe sie beim Bund erlebt und fand sie auch dort schon einfach nur furchtbar. Das waren gestandene Männer, echte Offiziere, die abends auf ihren Stuben an der Playstation zockten und auf alles feuerten, was bei drei nicht auf dem virtuellen Baum war. Echt bescheuert, zumindest für mich.
Die kleine Tram ist gut gefüllt und so stelle ich mich hinter zwei Herren, die auf mich wie Banker wirken. Sie tragen Anzüge und unterhalten sich: „Das musst du erstmal schaffen, einen Wolkenkratzer so zu treffen, mit dem Flugzeug direkt hinein!“, sagt der eine und der andere nickt. „Das ist was für Profis“ murmelt er und ich kann innerlich nur meinen Kopf schütteln. Was für Idioten denke ich, denn erwachsene Männer, die sich für derartige Computerspiele begeistern, sind mir einfach suspekt. Ich habe sie beim Bund erlebt und fand sie auch dort schon einfach nur furchtbar. Das waren gestandene Männer, echte Offiziere, die abends auf ihren Stuben an der Playstation zockten und auf alles feuerten, was bei drei nicht auf dem virtuellen Baum war. Echt bescheuert, zumindest für mich.
Trotzdem erreichen wir aber irgendwann den Bremer Hauptbahnhof und auf dessen Vorplatz scheint irgendwas passiert zu sein, denn es wimmelt dort nur so an Polizei. Außerdem hat der berühmte, alte Kirmeswagen mit dem bekannten Leierkasten darin, der hier jeden Tag so herrlich Musik macht, seinen Betrieb eingestellt. Er schweigt, was ich so wirklich noch nie erlebt und gesehen habe.
Dann gehe ich in den Bahnhof hinein. Direkt neben der riesigen Anzeigetafel hängt eine gewaltige Videoleinwand, auf der für normal irgendwelche Musikvideos laufen und vor der an manchen Tagen auch einige wenige Leute verweilen. Heute aber ist das anders, denn gezeigt wird das aktuelle Programm von N-TV und es stehen hier so viele Menschen wie noch nie. Sind es zweihundert oder noch mehr? Ich weiß es nicht. Aber die Stimmung ist die betroffen. Einige von ihnen weinen, andere schauen schockiert zu Boden und nicht wenige von diesen halten sich auch verängstigt gegenseitig im Arm.
Das ist der Punkt, an dem dann auch ich innehalte.
Das ist der Punkt, an dem dann auch ich innehalte.
So langsam wird mir klar, es ist was Schreckliches passiert, also begebe ich mich zu den sonst immer freien und leeren Telefonzellen, direkt um die Ecke, um meine Eltern anzurufen. Heute sind sie völlig überlaufen und fast schon belagert. Es dauert eine gefühlte Ewigkeit, bis ich endlich einen Hörer in der Hand halte und die Nummer meiner Eltern wähle. Meine Mutter meldet sich und sie weint am Telefon. „Ist was los?“, frage ich und sie antwortet mit zitternder Stimme: „Amerika wird angegriffen! Flugzeuge sind ins World Trade Center geflogen“. Ich solle schnell nach Hause kommen, sagt sie und dann bittet sie mich eindringlich darum, doch gut auf mich aufzupassen. Also begebe ich mich direkt zu meinem Zug. Aber mein Kopf rattert: Amerika wird angegriffen? Mit Flugzeugen? Das große und unbesiegbare Amerika? Ich verstehe es nicht und so wie mir, scheint es vielen zu gehen, denn der sonst so laute und chaotische Bremer Hauptbahnhof ist heute totenstill. Auch in dem Regionalexpress selbst hört man kaum jemanden sprechen. Diese Ruhe macht mir Angst. Ich empfinde sie als unheimlich und kann sie nur schwer greifen.
Dann, etwa 70 Minuten später bin ich endlich daheim. Meine Mama öffnet mir die Tür und nimmt mich so lange und intensiv in den Arm wie noch nie. Mein Vater sitzt im Wohnzimmer vor dem Fernseher. Gerade ist einer der beiden Zwillingstürme eingestürzt. Ich begrüße ihn und traue dabei meinen Augen nicht, denn er weint. Ja wirklich, er weint! Dieser so stolze, starke und große Grieche weint. Das habe ich so in meinem Leben bisher nur einmal gesehen, nämlich als 1991 meine Mama die Diagnose Krebs bekam. Danach hat er nie wieder solche Emotionen gezeigt, bis jetzt und ich weiß gar nicht, in diesem Moment, wie ich damit wirklich umgehen soll.
Alle großen Fernsehstationen haben ihr Programm unterbrochen und berichten live aus den Staaten. Sie zeigen das „World Trade Center“ und man sieht Menschen, die bei lebendigen Leib aus den Fenstern springen. Jedes Mal wenn sie aufschlagen, scheppert es und das lässt nun auch mich sehr still werden. „Zum Glück ist Amerika weit weg!“, murmele ich und mein Vater schaut mich mit großen Augen entsetzt an: „Weit weg? Weißt du, was die Amerikaner für Panzer und Waffen bei uns im Hafen haben? Wenn die USA Krieg führen müssen, dann sind wir Ziel Nummer Eins in Europa“, ruft er und auf einmal begreife ich, wie groß dieser Anschlag ist und welche Dimensionen von ihm ausgehen.
Das wird am nächsten Tag auch noch einmal deutlicher. Die Bildzeitung erscheint in den Farben der USA-Flagge und mit der Aufschrift: „Heute sind wir alle Amerikaner“. Im griechischen Fernsehen, von dem wir damals nur die Nachrichten im Internet sehen können, wird die US-Botschaft in Athen gezeigt. Vor ihr stehen griechische und amerikanische Panzer, außerdem Polizeiwagen und im ZDF erklärt ein Politiker: „Wir werden es nicht zulassen, dass der Terrorismus dieser Welt ihre Freiheit nimmt“. Was für schöne und beruhigende Worte. Die Realität allerdings schaut wahrlich anders aus:
Seit dem 11. September 2001 ist klar, blanker Hass und Fanatismus richten sich nicht mehr alleine gegen Politiker und bestimmte Institutionen, sondern in erster Linie gegen ganz normale und unschuldige Menschen. Auch braucht es keine Bomben mehr, denn Flugzeuge, Züge und Autos werden nun zu Waffen gemacht. Ja und der Islam steht seit diesem Datum unter Generalverdacht. Nicht wenige Menschen haben in den ersten Monaten und Jahren nach den Anschlägen, Flugzeuge wieder verlassen, weil sie mit arabisch wirkenden Menschen nicht zusammen reisen wollten. Nein, die Welt hat sich sehr wohl verändert und für meine Begriffe nicht zum Guten.
Ich werde den 11. September 2001 nie vergessen und meine Gedanken sind auch heute wieder bei all den Menschen und ihren Lieben, die damals unschuldig sterben mussten und die von jetzt auf gleich alles verloren haben!
Möge sich so ein Anschlag niemals wiederholen!
Wir waren grade im Urlaub ankommen. Am 10.09. auf Santorin gelandet und am 11.09. morgens um 7 Uhr zum Hafen, um auf die Fähre nach Paros zu kommen. Auf dem Schiff selber hat keiner was mitbekommen. Im Hotel angekommen saßen amerikanische Jugendliche in der Lobby und guckten TV. Ich fragte Männe noch ungläubig, wer am hellichten Tag einen so schlechten Film zeigt, das die Jugendlichen mit Tränen in den Augen da saßen. Dann drehte sich einer um und meinte zu mir "it's real", da begriff ich, das CNN lief. Diese Erinnerung werde ich nie mehr los.
AntwortenLöschenIh denke, jeder weiss noch wo er war und was er da grade getan hat als er davon erfuhr.
LöschenIch brachte meinen kleinen Sohn grade runter um aufs Taxi zu warten. Da er in den KiGa musste. Dann musste ich noch in die Waschküche und als ich rauf kam sass mein Mann da und meinte das ein Flugzeug in die TTs geflogen sei... Dann schauten wir natürlich auch weiter.
Gedankenvolle Grüsse... Alexandra
Hallo Ihr lieben Zwei,
Löschenwahrscheinlich ist es uns allen gleich, dass wir die Bilder von damals für "nicht real" und nach dem Motto wahrgenommen haben, "das kann jetzt nicht wirklich passiert sein!". Danke für eure Kommentare!
Danke, lieber Giannis, dass du uns mit diesem sehr persönlichen und eindringlichen Text an deinen Erinnerungen teilhaben lässt. Wo auch immer jeder Einzelne damals gewesen ist - und nur wenige werden das vergessen haben -, das Ereignis hinterließ bei uns allen das von dir beschriebene Gefühl von Beklemmung, Verunsicherung und Furcht. Nach diesem Wendepunkt war die Welt eine andere, und - leider - in gravierenden Lebensbereichen auch eine schlechtere.
AntwortenLöschenWir sollten den Kopf nicht hängenlassen, trotzdem ist mir heute nicht nach scheinheiligen Optimismusparolen; an solchen Tagen nicht.
Lieber Stefan, danke für deinen Kommentar und die so nachdenklichen Worte von dir. Du hast völlig Recht. Der Terrorismus hat zwar die USA nicht besiegt und noch viel weniger die Welt, aber er hat sie verändert und das in vielen Bereichen und das oftmals nicht zum Guten. Ja und was die "Optimismus-Blasen" angeht, sie kommen oft an solchen Tagen und werden doch eigentlich nicht gebraucht. Liebe Grüße
LöschenOh ja, ich erinnere mich. Wie könnte ich es auch vergessen? An dem Tag haben wir den Geburtstag meiner Mutter gefeiert, die am 11.09. Geburtstag hat. Nach Kaffee trinken, Kuchen essen und fröhlicher Plauderei war uns allerdings nicht mehr.
AntwortenLöschenLG
Sandra!